Im Wettkampf gegen die Zeit

«Just because it took you longer than others, doesn’t mean you failed.»

Ich gehöre zu den Menschen, die bereits im Kindergarten dachten, sie hätten eine Ahnung davon, wie ihr leben wohl so verlaufen würde. Teilweise hab ich bis jetzt ja sogar Recht behalten, denn ich habe schon im zarten Kindesalter von nur gerade fünf Jahren schon behauptet, dass ich einmal Lehrerin werden möchte. Da ich noch heute auf diesem Weg wandle und diesen Satz mit noch demselben Enthusiasmus von mir geben kann, macht mich schon ein wenig stolz. Ich habe mir als Kind mein Leben immer so vorgestellt: Ich beende das Gymnasium bzw. die Kanti, wie wir das in (Teilen) der Schweiz nennen, gehe studieren und werde dann irgendwann Lehrerin. Das sich das Ganze dann aber so in die Länge ziehen würde, war mir damals nicht bewusst.

Ich habe gleich nach der Matura mit dem Studium begonnen. Ich studiere Germanistik und Französisch an der Universität Zürich. Diejenigen unter euch, die auch studieren, kennen bestimmt die Lieblingsfrage aller Studenten, welche einem beispielsweise gerne an einem Familienfest gestellt wird: „Wie lange musst du denn noch studieren?“ oder „Wann bist du fertig?“.  Tja – und was soll ich sagen, ich weiss es nicht so genau. Mir ist natürlich bewusst, dass ein Bachelorstudiengang in der Regel 6 Semester, also sprich drei Jahre und der Master nochmals zwei Jahre dauert und man dann, gemäss den Gesetzen der Mathematik, nach 5 Jahren fertig sein sollte. Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Die letzten paar Jahre hab ich auf die beliebte Frage nach der Dauer meines Studiums deshalb einfach immer mit „Noch ca. 10 Jahre.“ geantwortet, denn genauso lange schien es mir noch anzudauern.

Wieso ein Studium manchmal länger dauern kann lässt sich am passendsten mit dem folgenden Zitat beantworten. Als die Sängerin Adele gefragt wurde, warum die Produktion ihres letzten Albums so lange gedauert hatte, sagte sie: „Sorry das es so lange gedauert hat, aber das Leben kam dazwischen.“

Ich habe von Anfang an neben dem Studium gearbeitet und war deswegen nicht jeden Tag an der Uni. Zuerst habe ich in einer Pizzeria gearbeitet und dann in einem Gourmet Restaurant. Seit zwei Jahren habe ich nun das Glück in meiner eigentlichen Branche tätig zu sein. Ich arbeite als Deutschlehrerin in Zürich und ich liebe meinen Beruf. Mir bot sich so die Möglichkeit, neben dem eher theoretisch ausgerichteten Studium, bereits praktisch zu arbeiten und so wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Aber nicht nur die Arbeit als Lehrerin hat mir wichtige Lektionen auf den Weg mitgegeben, denn auch während der Zeit, als ich im Service gearbeitet habe, habe ich viel fürs Leben gelernt. Was ich eigentlich damit sagen möchte ist, dass jede Erfahrung lehrreich ist. Egal ob sie sich gut im CV macht oder nicht. Man sollte einfach sein eigenes Ding durchziehen und sich nicht ständig mit anderen vergleichen. Das Studium ist kein Wettkampf gegen die Zeit. Wen kümmert es ob jemand früher mit dem Studium fertig ist als man selbst? Ist es wichtig ob man mit 23 Jahren oder mit 25 Jahren ins Berufsleben einsteigt? Es geht doch einfach nur darum vorwärts zu kommen im Leben. Sich Schritt für Schritt seinem Ziel zu nähern. Doch das Tempo der Schritte sagt nichts über die Qualität aus. Nur weil jemand länger braucht um an sein Ziel zu gelangen, wurde das Ziel doch trotzdem erreicht.

Auch wenn uns heute die Länge des Studiums als massgebend vorkommt so bin ich mir doch sicher, wenn wir in entfernter Zukunft auf heute zurückschauen, scheint sie uns unwichtig und irrelevant. Uns wird letztendlich bestimmt niemand mehr fragen, wie viele Semester wir studiert haben.

Ich habe vor ein paar Tagen einen persönlichen Meilenstein erreicht, denn ich habe erfolgreich die letzte Prüfung meines Bachelors absolviert. Vielleicht habe ich für meinen Bachelor länger benötigt als der eine oder andere, deswegen bin ich aber nicht weniger stolz. Ich habe in den letzten Jahren dafür habe viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ich habe viel gearbeitet, bin gereist, habe gelacht, habe Menschen kennengelernt, die mein Leben bereichert haben, habe die Zeit genossen aber vor allem habe ich gelebt.

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